Unmenschliche Haftbedingungen
Konzentrationslager Dachau: Politische Gefangene während eines Appells, 28. Juni 1938. In der zweiten Reihe, zweiter von rechts – Theodor Klein. (Quelle: Yad Vashem Fotoarchiv 4613/329)
Die Aufnahmeprozedur war für die jüdischen Ankömmlinge mit brutalen Quälereien und vielfältigen Erniedrigungen verbunden, die sich über mehrere Tage hinzogen und im Wortsinn wahren Spießrutenläufen glichen. In Dachau trieb man sie durch ein Spalier von SS-Leuten, die brutal auf die wehrlosen und oft bereits betagten Männer einschlugen. Nach anschließendem stundenlangem Stehen schor man ihnen das Kopfhaar, woraufhin sie in die Dusche gebracht, anschließend in Häftlingsdrillich eingekleidet und mit einem rot-gelben Davidstern gekennzeichnet wurden. Anschließend wies man sie in Baracken des Lagers ein, die durch ihre Ankunft schnell und weit über das Erträgliche hinaus überfüllt waren.
Das Lageraufenthalt war von Brutalitäten und stetem Hunger begleitet, denn angesichts des ungeheuren Ansturms, auf den man weder in Dachau noch in den beiden anderen KZs vorbereitet war, geriet die Versorgung der Häftlinge ins Stocken, wobei die Hunger leidenden jüdischen Häftlinge tagsüber auch noch der Willkür der SS-Männer ausgesetzt waren, bis sie über Nacht in die Baracken eingesperrt wurden, die kaum Luft zum Atemholen ließen.
Ein Beobachter des täglichen Appells, der das Grauen überlebte, beschrieb es später so: „Wir marschierten auf den großen Appellplatz, und aus allen Barackengassen strömten Juden - Juden - Juden - etwa 10.000! Seit Bar Kochba sind so viele Juden nicht im gleichen Schritt und Tritt marschiert. Die Alten, Kranken, Zerschlagenen humpelten mit, so gut es ging. Ein Zug des Leids, des Elends, des Grauens.“[1]
Jene, die länger in Dachau bleiben mussten, wurden mit Arbeit belastet, deren Erledigung zumeist weit über ihre ohnehin bereits massiv beeinträchtigen Kräfte hinausging. Das galt beispielsweise für die umfangreichen Kultivierungsarbeiten in der Heilkräuterplantage, die sich unmittelbar an das Lagergelände anschloss. Dort mussten kilometerlange Entwässerungsgräben ausgehoben und Moorbodenflächen mit Humuserde überdeckt werden. Das geschah unter der Leitung des grobschlächtigen „Kapos“ Christian Knoll, der insbesondere die jüdischen Häftlinge unter solch mörderischen Bedingungen quälte.
Zu Weihnachten 1938, so wurde berichtet, seien dann sogar mehrere Häftlinge neben dem Weihnachtsbaum auf dem Appellplatz öffentlich ausgepeitscht worden.
Die Gesamtzahl der in nach dem Novemberpogrom in Dachau ermordeten Juden lässt sich bislang nur schätzen. Beim gegenwärtigen Kenntnisstand wird man insgesamt von mindestens 400 Todesopfern in den drei Lagern Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald ausgehen müssen. Außerdem dürften 250 bis 300 unmittelbar nach ihrer Entlassung an den Folgen der erlittenen Haft gestorben sein oder Selbstmord begangen haben. Wohl keiner der Inhaftierten kam ohne physische und psychische Spätfolgen davon.[2]